Mit Mut und gepackten Kisten gehen wir weiter
- Lisa Hochstrasser
- 16. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Ich habe gekämpft.
Ich habe Endoli gegründet, gearbeitet, gehofft – und bin heute so dankbar, dass ich Workshops für Frauen anbieten darf. Ein Traum, für den ich jeden Stein in Kauf genommen habe.
Doch manchmal hat das Universum andere Pläne.
Vor 4,5 Jahren sind wir hierhergezogen. Es war einer der schwierigsten Momente meines Lebens. Vor mir lag dieser riesige Stein – so gross, dass ich nicht mehr weitersehen konnte. Ich dachte: Da komme ich niemals vorbei. Und ich dachte: So will ich nicht mehr.
Aber ich stand auf.
Aus einer Wohnung wurde ein Zuhause.
Aus Fremden wurden Freunde.
Aus Schmerz wurde Sinn.
Ich dachte, jetzt ist alles gut. Jetzt hält es.
Doch manchmal merkt man erst später, dass man Dinge festhält, die einen leise müde machen. Dass Stärke nicht heisst, alles tragen zu müssen. Manche Dinge darf man nicht festhalten, wenn sie einen mehr schwächen als stärken.
Und irgendwann muss man ehrlich zu sich selbst sein. Ständig Steine aus dem Weg zu räumen, kostet so viel Kraft. Man verliert sich, versucht zu halten, was einen selbst schwer macht. Und genau damit ist jetzt Schluss. Was nicht gesund ist, darf gehen – auch wenn vieles daran hängt. Nicht, weil man aufgibt, sondern weil man sich selbst nicht mehr aufgeben will. Weil man gelernt hat, dass man nicht alles heilen kann – und auch nicht muss. Weil man verstanden hat, dass man nicht bleiben muss, wo man zerbricht.
Also trafen wir eine Entscheidung:
Wir würden unser Zuhause an einem neuen Ort aufbauen – dort, wo wir wirklich Wurzeln schlagen können. Wir dachten, es würde lange dauern. Doch das Leben überraschte uns. Wir fanden etwas. Viel kleiner – aber mit diesem echten Gefühl von „Hallo Zuhause“. Ein Gefühl wie damals, bevor der Stein da war.
Gestern sass ich da – auf dem Boden, zwischen Kisten und Pflanzen, bereit für den Umzug. Mein Herz war schwer.
Eine Million Fragen schwirrten durch meinen Kopf:
Wie soll es weitergehen?
Wo werde ich 2026 meine Workshops halten?
Habe ich versagt?
Wird sich dieses neue Zuhause richtig anfühlen?
Was, wenn ich mich irre?
Was, wenn ich es diesmal nicht schaffe?
Und doch – zwischen all diesen Gedanken war da dieser leise Satz:
„Was, wenn es genau so sein muss, damit etwas Neues entstehen kann?“
Also atmete ich. Vier Sekunden ein, vier Sekunden aus. Und ich erinnerte mich.
Wie ich mit meiner Tochter durch die Wohnung tanzte und wir schief Weihnachtslieder sangen – bei 32 Grad.
Wie ich weiterstudierte, meinen Abschluss machte.
Wie ich lernte, meine Grenzen zu halten, mich zu lieben und mir zu vergeben – für das, was ich damals nicht wusste und doch mit ganzem Herzen versucht habe.
Wie ich meine Webseite veröffentlichte und Nachrichten bekam: „Wir sehen dich.“
Wie ich mich verliebte, entliebte und wieder lieben lernte.
Wie ich weinend aufstand.
Und dachte: „Scheisse Lisa, so stark wie heute warst du noch nie.“
Ich habe so viel erreicht. Trotz diesem Stein. Trotz Schmerz. Trotz der Tage, an denen alles wie ein Ende aussah. Und heute weiss ich: Es geht weiter. Nicht, weil alles plötzlich leicht ist. Sondern, weil ich mich jeden Tag dafür entscheide, weiterzugehen. Weil ich mich nicht mehr hinlege und liegen bleibe.
Und ich weiss: Wenn der Wille da ist, die Energie ins Positive fliesst und man – Schritt für Schritt – weitergeht, kann etwas Grossartiges entstehen. Aber ich habe auch gelernt: Wir müssen es nicht alleine schaffen. Stärke bedeutet nicht, keine Schwäche zu zeigen. Sondern zu wissen, wann man sich anlehnen darf. Wann man Hilfe annehmen darf.
Als ich dort sass – zwischen Kisten und Erinnerungen – bemerkte ich, dass meine Geschichte, auch wenn sie diesmal nicht von Endometriose handelt, so viele Parallelen zu Endometriose hat. Parallelen zu diesem Stein, zu den Gefühlen, zu dem Moment, in dem man glaubt, der Weg sei zu Ende. Und wie wichtig es ist, den Glauben und die Hoffnung nicht aufzugeben – auch dann nicht, wenn alles stillsteht.
Damals, als die Diagnose kam, war es ähnlich.
Auch da stand ich vor mehr Fragen als Antworten.
Ich hatte Angst, war erschöpft, wusste nicht, wie es weitergehen soll.
Und Endometriose… sie ist nicht romantisch. Sie tut weh – körperlich und seelisch.
Sie hat mich verändert.
Sie hat mich durch tiefe Täler geschickt – aber auch auf Hügel, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie je erreichen kann.
Sie hat gezeigt, wie dunkel es werden kann – und wie hell wieder.
Nicht, weil sie schön ist – das ist sie nicht.
Aber sie ist heute ein Teil von mir. Kein Feind mehr, aber auch kein Freund – eher eine Begleiterin.
Ich gehe weiter – mit ihr, aber nicht unter ihr.
Und vielleicht ist genau das das Wichtigste:
Dass all das ein Prozess ist. Kein gerader Weg. Kein ständiges Starksein.
Manchmal geht es vorwärts. Manchmal bleibt alles stehen. Manchmal fällt man zurück. Und alles, was man dabei fühlt – Angst, Wut, Zweifel, Hoffnung, Erschöpfung – ist in Ordnung.
Nichts davon macht uns schwach. Es macht uns menschlich. Man muss nicht alles alleine schaffen. Es reicht manchmal, einfach da zu sein. Zu atmen. Und irgendwann, wenn man bereit ist, weiterzugehen.
Ich weiss nicht, wie übermorgen aussieht.
Aber ich weiss: Es wird gut. Nicht, weil das Schicksal es so will, sondern weil ich es wähle.
Und weil ich gefragt wurde, wie es weitergeht:
Ja – es wird 2026 wieder Workshops geben. Im Januar und Februar nehme ich mir und meiner kleinen Familie Zeit, um am neuen Ort anzukommen. Ab März sind vier Workshops geplant – in Kooperation. Sobald ich das Go habe, teile ich es mit euch. 😊
Ab April werde ich Kurse an verschiedenen Standorten anbieten.
Und ich werde einen EndoTalk-Abend ins Leben rufen – in einer gemütlichen Bar. Ein Ort zum Sein. Zum Reden. Zum Fühlen. Ohne Druck.
Und vielleicht ist genau das Stärke:
Nicht alles kontrollieren zu wollen, sondern dem Leben zu vertrauen.
Sich immer wieder für Hoffnung zu entscheiden.
Für Aufstehen statt Verharren.
Für Liebe statt Angst.
Für sich selbst.
von Herz zu Herz
endoli | lisa hochstrasser




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