Akzeptanz – der Weg durch die Wellen
- Lisa Hochstrasser
- vor 7 Tagen
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 3 Tagen
Wenn ich Endometriose-Betroffene frage, die gerade erst ihre Diagnose erhalten haben, wie es ihnen geht, dann kommen oft Tränen, bevor Worte folgen.
Tränen, die vieles ausdrücken – Erleichterung, endlich eine Erklärung zu haben, aber auch Schmerz, Angst und Überforderung. Tränen, die zeigen: Diese Diagnose betrifft nicht nur den Körper, sondern das ganze Leben.
Ich weiss noch genau, wie sich das anfühlt. Mir ging es damals genauso. Man verlässt die Praxis mit einem neuen Wort, das plötzlich so vieles bedeutet – Endometriose – und soll danach einfach weitermachen.
Es gibt Empfehlungen, viele davon. Flyer, Broschüren, Artikel, vielleicht auch solche von mir. 😉
Ein Meer aus Möglichkeiten – Therapien, Ernährungsansätze, Schmerzmittel, alternative Wege. Jede davon mit dem leisen Versprechen, vielleicht helfen zu können. Aber entscheiden muss man selbst. Termine vereinbaren, ausprobieren, hoffen, neu beginnen. Und doch gibt es niemanden, der die eine Antwort hat. Das alles gibt einem das Gefühl, auf sich selbst zurückgeworfen zu sein – allein mit einer Krankheit, die so viel Raum einnimmt und doch so wenig verstanden wird. Und irgendwann entsteht dieses leise Gefühl, es vielleicht nie wirklich akzeptieren zu können. Dass Akzeptanz etwas ist, das anderen gelingt – aber einem selbst irgendwie entgleitet.
Die Welt dreht sich weiter.
Alle gehen weiter.
Doch man selbst steht da, mitten im Leben, und hat das Gefühl, stehen geblieben zu sein.
Als würde das eigene Tempo plötzlich nicht mehr mit dem der anderen zusammenpassen.
Man sieht Menschen lachen, Pläne schmieden, während man selbst noch versucht, zu verstehen, was da eigentlich passiert ist.
Und das Umfeld versteht oft nicht, was gerade in einem vorgeht.
Man hört Sätze wie: „Ach, tu nicht so, das kommt schon wieder." Oder: „Dann gehst du halt in eine Kinderwunschklinik, wenn’s mit der Schwangerschaft nicht klappen sollte. “
„Vielleicht hilft ja eine OP.“ Das ganze Repertoire an gut gemeinten, aber schmerzhaften Floskeln wird ausgepackt. Sie treffen mitten ins Herz, weil sie zeigen, wie wenig sichtbar diese Krankheit ist – und wie schnell andere weitermachen, während man selbst noch kämpft. Solche Worte machen unsicher, manchmal wütend – auf sich selbst, auf den eigenen Körper, auf das, was man nicht kontrollieren kann.
Und oft bleibt man genau dort stecken – in dieser Wut.
In der Frage: Warum ich?
Man ist müde vom ständigen Organisieren, vom Planen, vom Kämpfen. So viele Termine, Untersuchungen, Gespräche – und jeder einzelne will wieder abgesprochen, wahrgenommen, koordiniert werden. Manchmal fühlt es sich an, als bestünde das ganze Leben nur noch aus Verpflichtungen rund um die Krankheit. Und während man alles versucht, im Griff zu behalten, verliert man das Gefühl für sich selbst.
Doch Akzeptanz lässt sich nicht verordnen.
Sie ist kein Ziel, das man abhaken kann, sondern ein Prozess, der sich in Wellen bewegt. Manchmal steht man noch im Schock, unfähig, die Worte richtig zu fassen.
Dann kommt die Wut – auf den eigenen Körper, auf das, was man verloren hat.
Man sucht nach Kontrolle, liest, recherchiert, will verstehen und Einfluss gewinnen.
Und plötzlich folgt Traurigkeit – eine tiefe, leise Erschöpfung, weil man spürt, dass manches bleibt, dass Dinge anders werden.
An anderen Tagen dagegen fühlt es sich an, als sei man versöhnt, als hätte man Frieden geschlossen mit sich selbst – bis der nächste Rückschlag alles wieder aufwühlt.
Dieser Prozess folgt keiner Reihenfolge. Er verläuft kreisförmig, chaotisch, unvorhersehbar – und genau das ist das Menschliche daran.
Aber wie findet man Akzeptanz überhaupt?
Vielleicht gar nicht auf einmal.
Vielleicht nie als festen Zustand.
Vielleicht beginnt sie damit, sich selbst neu zu definieren.
Denn mit einer chronischen Erkrankung zu leben, bedeutet, sich und das Leben anders zu betrachten. Es braucht eine neue Sicht, neue Werte – und manchmal den Mut, alte Glaubenssätze loszulassen, die einfach nicht mehr passen.
Es braucht mehr Aufmerksamkeit – für die feinen Signale des Körpers.
Mehr Selbstliebe – auch an den Tagen, an denen man sich selbst kaum erträgt.
Mehr Achtsamkeit – um die kleinen, stillen Momente wahrzunehmen, die trotzdem schön sind.
Mehr Grenzen – gegenüber anderen, aber auch gegenüber sich selbst.
Und es braucht mehr Ruhe – innerlich wie äußerlich.
Und auch das Verstehen ist wichtig.
Denn mit einer chronischen Erkrankung funktioniert nichts mehr „einfach so“.Vieles, was früher selbstverständlich war, braucht jetzt mehr Bewusstsein – mehr Wissen über den eigenen Körper, über Hormone, über Stress und seine Wirkung. Dieses Verstehen hilft, die Zusammenhänge zu erkennen und die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Es schafft nicht sofort Heilung, aber es schenkt Orientierung. Denn wer versteht, was im eigenen Körper geschieht, kann liebevoller reagieren, Grenzen setzen und sich selbst wieder näherkommen.
Mit der Zeit wächst langsam wieder Vertrauen – in den eigenen Körper, in die eigene Kraft. Man entdeckt, dass es möglich ist, mit der Endometriose zu leben, ohne sich von ihr definieren zu lassen. Dass es Stärke braucht, die eigenen Grenzen anzuerkennen – und Sanftheit, sie zu respektieren.
Genau aus diesem Gefühl heraus ist endoli entstanden.
Aus dem Bedürfnis nach einem Raum, in dem jemand zuhört – auch dann, wenn alle anderen schon weggeschweift sind.
Ein Raum, an dem man verstanden wird, ohne sich erklären zu müssen.
Ein Raum, an dem man gehört wird, und an dem man selbst zuhören darf – bei Workshops, im Austausch, in kleinen Momenten echter Begegnung.
Ein Raum, an dem man Neues lernen kann: Techniken, die helfen, den eigenen Weg zur Akzeptanz zu finden.
Ein Raum, an dem Wissen geteilt werden darf – wo Erfahrungen, Tipps und Wege weitergegeben werden können. Wo man erzählen darf, was geholfen hat, welche Angebote einem guttaten, und wo gegenseitige Kraft entsteht.
Vor allem aber: ein Raum, an dem niemand das Gefühl haben soll, es alleine schaffen zu müssen.
Und natürlich: ein Raum, an dem niemand fragt „Warum weinen Sie denn?“
Oder sagt: „Das haben Sie mir letztes Mal schon erzählt.“
endoli ist entstanden, weil wir Raum brauchen – echten, fühlbaren Raum.
Für alles, was wir sind: verletzlich, stark, suchend, hoffend.
Für all die Stimmen, die gehört werden wollen.
Und vielleicht beginnt Akzeptanz genau dort:
wo wir uns gegenseitig zuhören, wo Tränen Platz haben,
wo niemand alleine durch diesen Prozess gehen muss.
Und irgendwann, ganz leise, wird es ein wenig leichter.
Die Welt dreht sich noch immer weiter – aber man spürt, dass man langsam wieder mit ihr mitgeht.
Das Leben sortiert sich neu. Nicht so wie früher, aber auf eine Weise, die wieder trägt. Und inmitten all dessen wächst etwas Zartes, fast Unmerkliches – ein stilles Vertrauen in sich selbst und in das Leben, das trotz allem weitergeht.
Ich würde mich freuen, dich in diesem Raum zu treffen – wo Worte nicht müssen, Tränen dürfen und wir gemeinsam ein Stück Akzeptanz wachsen lassen.
von Herz zu Herz
endoli | lisa hochstrasser




Kommentare